Bei der Echokardiographie fragte mich die Patientin nach dem Befund. Ich sagte "eine der Herzklappen ist undicht, daran sind Sie ja auch schon mal operiert worden." Sie widersprach: "Ich bin noch nie am Herzen operiert worden!" "Aha," sagte ich, und nach einer kurzen Pause fuhr ich mit dem Finger sanft über die Sternotomienarbe und fragte: "und das?" Sie sagte: "Das hatte mit der Brust zu tun, da hatte ich die Klappe." "Ach so, das meinte ich eigentlich."

Eine naheliegende Reaktion wäre gewesen, die Patientin zurecht zu weisen, ihr zu erklären, dass die Klappe natürlich im Herzen ist. Ich hatte mich klar und deutlich ausgedrückt, aber durch ihr falsches Körperbild hatte sie mich nicht verstanden. Wir erkennen solche Missverständnisse, wir wissen, wie die Zusammenhänge wirklich sind. Aber das war nicht immer so. Ich erinnere mich an manche Vorstellungen aus meiner Kindheit. „Arm gebrochen“, „Loch im Kopf“, „Hirnschlag“, „Herzschlag“, „musste mit drei Stichen genäht werden“, das waren die Begriffe, mit denen wir medizinische Zustände beschrieben haben. Jetzt bin ich natürlich weit darüber hinaus. Aber nicht weil ich erwachsen geworden bin, sondern weil ich Medizin studiert habe. Diese unscharfen Vorstellungen vom Körper, die mir kindlich erscheinen, sind – zumindest zum Teil – die Vorstellungen von medizinisch unausgebildeten Menschen.

Das ist kein Grund zur Überheblichkeit auf unserer Seite. Ich musste mich vor einiger Zeit mit Elektrikern und Installateuren herumschlagen, ich habe teilweise nicht einmal deren Terminologie verstanden. (Oder hättet Ihr gewusst, was ein Elektriker mit einem „Schütz“ meint?) Jeder kennt dieses Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber von Automechanikern, Juristen oder Steuerberatern, die einem sagen, dies oder jenes wäre halt so und man muss es einfach akzeptieren.

Wir sollten uns darauf einstellen, dass das Körper- und Krankheitsverständnis unserer Patienten die Normalität ist. Wir sind die Experten und müssen uns an die Gedankenwelt und die Begrifflichkeiten unserer Patienten anpassen. Ein Elektriker hat kein Problem damit, mich seine Überlegenheit spüren zu lassen. Aber für eine Ärztin wäre das keine gute Haltung. Uns ist das Verhältnis zu unseren Patienten wichtig. Wir wissen, wie abträglich ein zu großes (gefühltes) Gefälle in der Beziehung für das notwendige Arbeitsbündnis und für die Compliance des Patienten ist.

Ich wollte zuerst das Beispiel des Kinderarztes bringen, der seine kleinen Patienten in kindgerechter Sprache aufklären muss. Aber wegen der Herablassung, die in diesem Bild steckt, hat es mir dann doch nicht gefallen. Unsere Patienten sind keine zurückgebliebenen Kinder, die man nicht ernst nehmen kann. (Auch Kinder kann man sehr wohl ernst nehmen!) Unsere Patienten sind die Normalbevölkerung, und wenn wir es nicht schaffen, unsere Ideen in „normaler“ Sprache zu vermitteln, haben wir unsere Aufgabe nicht erfüllt. Wir müssen uns auf die Gedanken und Begriffe unseres Gegenübers einstellen. Es reicht nicht, sich medizinisch korrekt auszudrücken, wir müssen die Worte finden, die unsere Patientin versteht. Das können beim nächsten Patienten schon wieder andere Worte sein, je nach dem, wie dessen Vorstellungen und dessen Körperbild sind.