Am Anfang hast Du aus dem Studium noch alle Fächer der Medizin präsent vor Augen. Das wird sich zwangsläufig ändern. Du wirst in Deinem Fach besser werden, aber die anderen Teilgebiete werden Dir immer fremder. Achte darauf, dass Deine Spezialisierung nicht zu weit geht.

Manche Dinge kann man getrost vergessen. Als Orthopäde das EKG, als Internist manche Augenkrankheiten, als Pathologe die Auskultationsbefunde. (Sicher, vielleicht gibt’s mal Situationen wo man’s doch brauchen kann. Aber Du brauchst nicht jedes Detail der Medizin zu behalten, um in Deinem Fach wirklich gut zu werden.)

Aber um Dein Fachgebiet herum gibt es genug Bereiche, die in der Facharztprüfung nicht abgefragt werden, aber wo Dir solide Grundkenntnisse weiterhelfen können. Du hast zwar eigentlich genug zu tun, um in Deinem Fach gut zu werden. Aber zwischendrin besteht immer mal die Gelegenheit noch was anderes zu lernen.

Bilder

Jeder von uns hat mit Röntgenbildern, CTs, MRTs zu tun. Für Nicht-Radiologen ist das manchmal eine ziemlich schwarze Kunst. Aber man lernt durch Zugucken. Setz Dich in der Röntgenbesprechung nach vorne und versuch nachzuvollziehen, was der Radiologe demonstriert. Schau Dir zuerst die CT-Bilder an, bevor Du den Befund liest. Wenn Du einen unklaren oder klinisch nicht passenden Befund bekommst, geh zu den Radiologen hin, stell Deine Fragen und lass Dir’s erklären. Oft freuen sich die Kollegen, wenn sich jemand für ihre Arbeit interessiert.

Und versuch zumindest einmal im Leben zu verstehen, wie MRT funktioniert. (Ich hab das schon zwei Mal gemacht, und ich hatte damals auch das Gefühl, ich hätte es verstanden. Natürlich kann ich's heute nicht mehr erklären…)

Wenn Du gynäkologischen oder urologischen Ultraschall machst, halte den Schallkopf auch mal ein bisschen höher und versuch die Leber, Milz, Nieren oder Pankreas zu beurteilen. Und mach das am besten vor dem internistischen Konsil, dann kannst Du hinterher vergleichen.

Körperliche Untersuchung

… machen wir täglich. Aber wer von Euch kann einen zuverlässigen, neurologischen Befund erheben? Probier es einfach – vor dem neurologischen Konsil. Besorg Dir eine Stimmgabel für die Frage nach Polyneuropathie. Du hast doch einen Reflexhammer?

Dermatologische Befunde (einer meiner persönlichen Schwachpunkte) – versuch Dir einen Befund und eine Verdachtsdiagnose zurecht zu legen, bevor der Dermatologe kommt. Und lass Dir dann von ihm erklären, warum er zu einem anderen Befund gekommen ist.

Was die anderen tun

Konsiliarärzte sind eine Fundgrube für interessante, neue Kenntnisse. Versuch nachzuvollziehen, wie Chirurgen denken und wie sie Entscheidungen treffen. Frag den Chirurgen nach Voraussetzungen oder Besonderheiten der geplanten OP.

Hör Psychiatern bei der psychopathologischen Befundbeschreibung zu (immer wieder grandios, allein die Ausdrücke!). Oder lass Dir von einem Neurologen die Parkinsonmedikation Deines Patienten deuten.

Wenn Du freundlich fragst und ggf. auch die knappe Zeit des Anderen respektierst, werden die Meisten gerne Auskunft geben. Viele erklären ihre Gedanken auch lieber einer interessierten Kollegin, als sie langwierig aufzuschreiben. Oft kann man im Gespräch auch ein Problem viel klarer formulieren als auf einem Konsilzettel.

So kannst Du nicht nur ohne Anstrengung Interessantes lernen, sondern verbesserst vielleicht auch ganz nebenbei die Behandlung Deines Patienten.